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Der Untergang des Kölner Stadtarchivs wird in seiner Bedeutung für uns offenbar noch nicht richtig erkannt. In diesem Ereignis dokumentiert sich auf dramatische Weise, dass unsere Gesellschaft mit der Erhaltung kultureller Werte nicht richtig umgehen kann. Dabei müssten wir das eigentlich wissen: Die DDR ist untergegangen, weil sie mit dem Problem der Instandhaltung des volkswirtschaftlichen Kapitalstocks nicht umgehen konnte. Besonders dramatische Folgen hatte das für die Städte. Neben strukturellen Gegebenheiten spielte die Eigentums- und Niedrigmietenpolitik eine verheerende Rolle. Der Zerfall der Städte war vorprogrammiert. Um die immer größer werdenden Wohnungsprobleme zu lösen, wurden riesige Plattenbaugebiete - meist an den Stadträndern - erstellt, die heute auch mit milliardenschweren Stadtumbauprogrammen nicht zu lösen sind.
In Westdeutschland gibt es seit Jahrzehnten die Mischfinanzierung von öffentlichen Infrastrukturprojekten. Es ist Folge der föderalen Verfassung, die zu permanentem Wahlkampf, politischer Instabilität und zur Entmachtung der Legislative sowohl im Bund als auch in den Ländern führt. Das Machtvakuum wurde durch bürokratisches Wachstum auf Bundes- und Landesebene kompensiert.
Es gibt – so eine Erhebung aus 1976 - über 1.000 Bund-Länder-Gremien von Bundes- und Länder-Ministerien, die dominierenden Einfluss darauf haben, welche politischen Probleme überhaupt angegangen werden. Erst wenn dort Einigkeit über Inhalte und Prozeduren erzielt worden ist, werden die eigentlich bestimmenden Parlamente (Bundestag bzw. Landtage) mit in den politischen Entscheidungsprozess einbezogen. Mit weitreichenden Folgen: Bürokraten in Bundes- und Länderministerien werden zunehmend zu Wahlkampfmanagern ihrer um Wiederwahl kämpfenden Chefbürokraten.
Dafür ein Beispiel:
Für den Neubau des Stadtarchivs in Köln mit Ausgaben in Höhe von angenommen 1 Mrd. Euro gibt es beispielsweise folgende Zusagen: Brüssel gibt 150 Mio., von Berlin kommen 350 Mio. und das Land NRW sagt 450 Mio. zu. Der Stadtrat muss also nur über die Aufbringung des Restes von 50 Mio.Euro entscheiden.
Einwände von besorgten Ratsherren, dass man auch die Folgekosten sehen müsse, werden abgebügelt.
Der Rat entscheidet sich dafür, die 50 Mio locker zu machen. Das Projekt wird dann realisiert, wenn alle bürokratischen Förderrichtlinien dafür erfüllt werden können. Schon das hat einen großen Beschäftigungseffekt für die Staatsbürokratie. Die Spielidee zündet natürlich auch auf anderen Politikfeldern und sorgt für weitere Expansion der Bürokratie.
Die zwangsläufige Ausdehnung der Budgetvolumina bei Bund und Ländern geht zu Lasten der Städte und Gemeinden. Wenn diese Quellen aber nicht mehr ausreichen, dann steigen eben die Schulden auf allen Staatsebenen. Eine ganz wichtige, langfristige Nebenwirkung zeigt sich erst, als das Spiel schon lange gelaufen ist. Die Bürokraten aller Staatsebenen haben sich schon seit etlichen Jahrzehnten nicht mehr darum gekümmert, wie mit mischfinanzierten Infrastrukturprojekte umzugehen ist. Es fehlen die Spezialisten für Werterhaltung und Instandhaltung. Alle haben sich nur auf das Management mischfinanzierter Neubaumaßnahmen konzentriert. Werterhaltendes Immobilienmanagement kommt dabei zwangsläsufig aus der Mode.
So fallen dann auch die tiefen Setzrisse - Augenzeugen berichten von faustgroßen Spalten – im Stadtarchiv in Köln gar nicht auf. Man bereitetet sich gerade auf die einen – natürlich mischfinanzierten – Stadtarchivneubau mit Mitteln aus dem neuen Bundes-Krisenkonjunkturprogramm vor.
Von dem bevorstehenden Einsturz des ganzen Gebäudes hat von den in dieser Zocker-Runde versammelten Mischfinanzierungsexperten natürlich keiner etwas geahnt.
Keiner von ihnen hat daran gedacht, die wertvollen und unersetzlichen Archivbestände rechtzeitig vor Beginn der hochriskanten U-Bahnarbeiten an einen sicheren Ort auszulagern.
Auch als sich ernstzunehmende Anzeichen der heraufziehenden Katastrophe zeigten, sah sich die Kölner Stadtführung ausser Stande, das riskante Projekt zu stoppen, die Archivbestände zu sichern und weitere Verluste an Menschen und Immobilien zu verhindern. Die Kölner Verkehrsbetriebe waren zwar vom Kölner Stadtrat mit der Durchführung dieser Aufgabe betraut worden. Als aber die Schwierigkeiten auftraten, konnte nur eine Weisung des Regierungspräsidenten im fernen Düsseldorf diesen Schritt veranlassen.
Nun wird sicherlich - in Verkennung der chaotischen Zuständigkeitsregelungen zwischen Land und Kommune - eine breite Diskussion unter dem Thema >Kölner Klüngel< losgehen.
Warum eigentlich? Liegt denn die Kriegszeit mit den schrecklichen Bombardierungen der Städte schon so lange zurück? Hat man nicht damals alles wertvolle Archivmaterial ausgelagert? Hätte man den leeren Regierungsbunker in Ahrweiler dafür nicht nutzen können?